Leibesfrucht

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... gebenedeit ist die Frucht deines Leibes ...

Das Ave Maria gehört zu den Grundgebeten der christlichen Kirche. Es bezieht sich auf die Verkündigung Mariens (Lk 1,26-38) und den Besuch Mariens bei Elisabeth (Lk 1,39-56).

In der deutschen Fassung, die sich an der lateinischen Fassung orientiert, heißt es „und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.“ Das Wort „gebenedeit“ geht auf das lateinische „benedictus“ zurück, auf „benedicere“, Gutes zusprechen.

Die deutsche Fassung des Ave Maria der Ostkirche orientiert sich am griechischen Text und lautet: „und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“. Damit ist in heute verständlicher Sprache ausgedrückt, dass Jesus schon im Mutterleib von Gott gesegnet war.

Um die Binnensprache der Theologen beim Gebetstext des Ave Maria aufzugeben, sollte das im Gottesvolk unverständliche „gebenedeit“ in das allgemein verständliche „gesegnet“ abgeändert werden.

In Lk 1 Vers 31 wird vom „Sohn“ gesprochen, in Vers 41 vom „Kind“, in Vers 42 von der „Frucht deines Leibes“. Die beiden Begriffe „Sohn“ und „Kind“ werden eindeutig dem Bereich des Menschseins zugesprochen, die „Frucht deines Leibes“ hingegen nicht.

Das althochdeutsche „fruht“ bezeichnet Feld- und Baumfrüchte in gleicher Weise. Es ist gleichbedeutend dem lateinischen „fructus“ entlehnt, das als Substantivbildung zum lateinischen „frui“ wurde. Von den fruchttragenden Bäumen kam die „Frucht“ zu ihrer allgemeinen botanischen Bedeutung, die dann auf die tierische und menschliche „Leibesfrucht“ übertragen wurde. Mittelhochdeutsch steht„fruht“ auch für Kind, wie es das niederhochdeutsche Scheltwort „Früchtchen“ noch bezeugt.

Sprachlich grenzen wir ansonsten die Tierwelt von uns Menschen ab. Tiere fressen und saufen, Menschen essen und trinken. Den Nachwuchs von Tieren nennen wir „Wurf“ oder „Junges“, je nach Tierart auch „Welpe“, „Kalb“, „Frischling“, ... Den Nachwuchs von Menschen nennen wir „Kind“, „Baby“,„Sohn“ oder „Tochter“. Hier gibt es keine sprachliche Vermischung, bis auf die Befruchtung und die"Leibesfrucht".

Doch Sprache ist kein feststehendes Gebilde, sondern Sprache wandelt sich. So wurde Mitte der 1960er Jahren im Ave Maria das „unter den Weibern“ abgeändert zu „unter den Frauen“. Der Grund war, dass der Ausdruck „Weib“ vermehrt als Schimpfwort oder zumindest abwertend empfunden wurde. Dabei steckt es wertneutral noch im Wort "weiblich".

Bei einer um das Jahr 2006 durchgeführten Online-Umfrage (n=316) unter Frauen, deren Kind während der Schwangerschaft verstarb, akzeptierten den Ausdruck "Leibesfrucht" 5,7 % für ein während der ersten 12 Schwangerschaftswochen (SSW) verstorbenes Kind, 2,2 % für ein tot geborenes Kind bis 500 Gramm, 1,6 % für ein schwereres Kind.[1] Allgemein gefiel 12 % der Frauen für ein während der Schwangerschaft verstorbenes Kind die Bezeichnung "Leibesfrucht", 16 % missfiel sie eher und 60 % missfiel sie sehr.[2] In einer Skalierung wurde "ungeborenes Kind" mit 165 Punkten bewertet, "Fötus" mit 84, Totgeburt mit -55 und Leibesfrucht mit – 93.[3]

Mit Rücksicht auf alle Frauen sollte daher das Ave Maria dem heutigen Sprachgebrauch angepasst werden. Es würde dann künftig nicht mehr "und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes" gebetet, sondern "und gesegnet ist dein Kind" oder "und gesegnet ist dein Sohn".

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. Siehe: Klaus Schäfer: Stillgeburt. Bd. 1. Karlsruhe 2012, 134.
    https://epub.uni-regensburg.de/47883
  2. Siehe: Klaus Schäfer: Stillgeburt. Bd. 2. Karlsruhe 2012, 265.
    https://epub.uni-regensburg.de/47884
  3. Siehe: Klaus Schäfer: Stillgeburt. Bd. 2. Karlsruhe 2012, 271.