Kinder

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Kinder bei Sterben und Tod

Sollen Kinder den Verstorbenen sehen

Erwachsene sagen häufig, dass Kinder den Verstorbenen nicht sehen sollen. "Sie sollen ihn so in Erinnerung behalten, wie er war", ist eine häufige Haltung. Dem gegenüber sagen:

  1. Anna Giordano: "In Deutschland gibt es viele Menschen, die Kinder vom Thema Tod oder von den Toten fernhalten wollen. Da gibt es die Mär vom Leichengift, die häufig noch im Unterbewusstsein schlummert. Aber der Tote ist nicht giftig. Kinder sind allerdings unterschiedlich. Manche sind sehr neugierig und möchten den Toten sehen, dann sollte man das zulassen. Wichtig ist es, in jedem Fall mit den Kindern darüber zu sprechen. Und wenn Kinder den Toten nicht sehen möchten, sollte man nachfragen, warum. Ihnen vielleicht noch einmal genau erklären, was da los ist und über die Ängste sprechen."[1]


Wenn Mama oder Papa an Krebs erkranken

Die Österreichische Krebshilfe veröffentlichte mit ihrer Broschüre "Wenn Mama oder Papa an Krebs erkranken"[2] eine wichtige und wertvolle Hilfestellung für den Umgang mit Kindern, wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt und daran stirbt.

Wenn Kinder ihre Trauer nicht zeigen oder ausreichend leben können oder dürfen, kann es zur krankhaften Verarbeitung kommen.
Daher ist es so wichtig, das Kinder in den Prozess von Sterben, Tod und Trauer nicht ausgeschlossen werden. Sie haben ein Recht, diesen Prozess auf ihre je eigene Art und Weise zu erleben und zu durchleben.

10 Wünsche von Kindern

Die Österreichische Krebshilfe veröffentlichte in ihrer Broschüre "Wenn Mama oder Papa an Krebs erkranken" die "10 Wünsche für mich".[3] Diese 10 Wünsche wurde für diese Seite auf Sterben und Tod umgeschrieben.

  1. Sprich mit mir - ich gehöre auch dazu.
  2. Sag mir die Wahrheit. Das ist schwer für mich, aber leichter, als mit meiner großen Angst alleine zu sein.
  3. Erkläre mir die Sachen so, dass ich sie verstehen kann. Bitte setze dich mit mir hin und verwende einfache Worte, die ich gut verstehe.
  4. Komm zu mir und schau mit mir gemeinsam nach, ob ich von dir etwas wissen will. Von alleine traue ich mich nicht zu dir zu kommen, weil ich dich ja nicht so gut kenne weil du wenig Zeit hast und ich mich manchmal auch davor fürchte.
  5. Mitunter will ich etwas nicht wissen - dann lass das bitte zu.
  6. Sag mir, dass ich unschuldig bin am Tod meiner Mutter / meines Vaters / ...
  7. Erkläre mir, was ich für meine Mutter / meinen Vater / ... tun kann - ich will auch helfen.
  8. Manchmal will ich auch mit meinen Freunden spielen, wegfahren und Spaß haben. Bitte erkläre meinen Eltern, dass das normal ist und dass ich den/die Verstorbene(n) trotzdem lieb hab.
  9. Ich muss wissen, wer auf mich aufpasst, mir etwas kocht, mich in den Kindergarten oder in die Schule bringt und bei mir ist, wenn ich krank bin. Bitte sag meinen Eltern, wie wichtig das für mich ist.
  10. Interessiere dich für mich, auch wenn du als Arzt/Ärztin meiner Mutter / meinen Vater / ... nicht vor dem Tod bewahren konntest.

Empfehlungen

Diese Empfehlungen sind aus der Broschüre "Wenn Mama oder Papa an Krebs erkranken".[4] Die Zahl in der Klammer gibt die Seitenzahl dieses Zitats an:

  • Wenn es gelingt, sich den Gefühlen gemeinsam mit dem Kind zu stellen, die Gefühle Ihres Kindes ernstzunehmen und nicht abzuwiegeln, dann tun Sie etwas sehr Schweres, aber auch Wichtiges. (28)
  • Seien Sie ehrlich und offen zu Ihrem Kind, stellen Sie sich den Fragen - auch wenn Sie selbst auf vieles keine Antwort wissen. (29)
  • Die Klarheit zu erreichen, dass wir den Tod weder aufheben noch verhindern können, ist ein enorm schwieriger, aber wichtiger Prozess. (29)
  • Das Gespräch über Sterben und Tod darf nicht hinausgezögert werden. (30)
  • Reden Sie mit Ihrem Kind, auch wenn es Ihnen sehr schwer fällt. (30)
  • Hilfreich ist auf alle Fälle, das Gespräch nicht abzuwehren, sondern das Kind mitfühlend mit dem, was der Arzt sagt, bekannt zu machen. (30)
  • Tröstlich ist es, wenn man dem Kind erklärt, dass es kein Mittel mehr gibt, um die Krankheit zu heilen, dass der Arzt aber dafür sorgen wird, dass Mama oder Papa keine Schmerzen leiden muss, keinen Hunger oder Durst hat und gut schlafen kann. (31)
  • Es sollte möglich sein, dass das Kind neben dem sterbenden Elternteil spielt, Hausaufgaben macht, mit ihm sprechen und sich der gegenseitigen Zuneigung vergewissern kann. (31)
  • Auch der Besuch in der Intensivstation ist anzuraten.[Anm. 1]
  • Kinder geben sehr genau Zeichen, wann sie gehen möchten. (31)
  • Das Kind muss trotz der schweren Situation auch lachen und Freude haben können. (32)
  • Kinder neigen einerseits zum Klammern, andererseits zur Ablehnung des sterbenden Elternteils (32)
  • Vor allem Jugendliche neigen oft dazu, ihren Spannungen in Aggressionen Ausdruck zu verleihen. (33)
  • Es ist ganz wichtig, dass klare Worte gefunden werden. Schonende Formulierungen wie "Die Mama/der Papa ist eingeschlafen" verunsichern Kinder sehr. (36)
  • Auch Formulierungen, der oder die Tote seien weggegangen, führen das Kind dazu, zu warten, bis er/sie wiederkommt.
  • Wichtig ist, dass wir dem Kind mitteilen, dass niemand genau weiß, wo Tote sind, aber dass wir das oder jenes glauben. (36)
  • Entscheidend ist das Bestehen von Liebe und Verbundenheit, auch über den Tod hinaus, und nicht das 'wie' des Ortes. (36)
  • Wenn der Himmel zu schön ausgemalt wird, können Kinder die Sehnsucht entwickeln, unbedingt schnell hinzumüssen, besonders dann, wenn es ihnen auf der Erde gerade nicht gut geht. (37)
  • Es ist anzuraten, Kinder jeder Altersstufe zum Begräbnis mitzunehmen. (37)[Anm. 2]
  • Sprechen Sie mit den Kindern vor dem Begräbnis darüber, wie es ablaufen wird. (37f)
  • Kleinere Kinder möchten oft gerne Zeichnungen mit ins Grab geben. (38)

Todesverständnis

Kinder verstehen den Tod sehr unterschiedlich:[5]

  • Kinder unter 3 Jahren sprechen über Tote als wären diese noch am Leben. Tod bedeute für sie Abwesenheit für eine kurze Zeit.
  • Kinder zwischen 3 und 5 Jahren beginnen langsam, Äußerungen über den Tod zu machen. Sie wollen den Tod erforschen und stellen viele Fragen. Tod ist aber etwas, was anderen zustößt und noch als ein vorübergehender Zustand verstanden.
  • Kinder zwischen 5 und 9 Jahren sehen den Tod realistischer. Der Tod ist für diese Kinder mit dem Gefühl der Trennung auf immer und des Schmerzes verbunden. Häufig wird der Tod personalisiert.
  • Kinder ab 9 Jahren sehen den Tod als einen Vorgang, der in uns stattfindet und dessen wahrnehmbares Resultat die Zersetzung des menschlichen Körpers ist. Nun wissen die Kinder, dass der Tod unvermeidbar ist. Tod bedeutet für sie jetzt definitiv Trennung, Liebesverlust und Endgültigkeit.

Die Entwicklung des Todesverständnisses durch die elterliche Einstellung, durch Kultur und Religion sowie durch konkrete Todeserfahrung beeinflusst.

Trauerreaktionen von Kindern

Kinder und Jugendliche trauern anders als Erwachsene Dabei spielen Alter und Entwicklungsstufe, aber auch die Persönlichkeit des Kindes eine große Rolle:[6]

  • Sprunghaftes Trauern
  • Verdrängen
  • Aggression
  • Angst
  • Schuldgefühle
  • Alltag bewältigen
  • Idealisierungen
  • Verleugnen
  • Ablenkungen suchen
  • Auslöser für Sinnkrisen
  • Psychosomatische Beschwerden
  • verspätete Reaktionen

Hilfestellungen für Kinder

Kindern kann in Trauer auf unterschiedliche Art und Weise geholfen werden.[7]

Rituale finden

aktiv werden
Mitsprache ermöglichen
Erinnerungen wecken
kreativ sein
Märchen und Geschichten
spielen

kreativ aufarbeiten

Hilfe aus dem Freundeskreis
Gespräche anbieten
Zeit für Trauer nehmen
Platz für Erinnerungen
Trost spenden

Zitate

† Jahr Autor Zitat
1960 Albert Camus Das Erschütternde ist nicht das Leiden der Kinder an sich, sondern der Umstand, sie sie unverdient leiden. ... Wenn wir nicht eine Welt aufbauen können, in der Kinder nicht mehr leiden, können wir wenigstens versuchen, das Maß der Leiden der Kinder zu verringern.
Brigitte Lob Das Thema Tod sollte von der ersten Klasse an auf dem Lehrplan stehen.[8]
Brigitte Lob Je ehrlicher ich anspreche, was passiert ist, desto eher gebe ich dem Kind die Chance, das Ereignis als Realität zu akzeptieren und zu verarbeiten.
Brigitte Lob Unabhängig vom Alter sollte man grundsätzlich offen über den Tod und seine Umstände sprechen.
Brigitte Lob Ich rate dazu, nichts zu vertuschen. Auch wenn es um Suizid geht. Je ehrlicher ich anspreche, was passiert ist, desto eher gebe ich dem Kind die Chance, das Ereignis als Realität zu akzeptieren und zu verarbeiten.
Brigitte Lob Abhängig vom Alter ist aber natürlich, zu welchen Reaktionen ich das Kind motiviere. Jüngere Kinder erleichtert es, die Situation im Spiel zu verarbeiten oder ihre Gefühle in einem Bild auszudrücken. Älteren Kindern tut es oft gut, einen Brief zu schreiben.
Brigitte Lob Gut ist auch, altersgemäß Rituale, zum Beispiel im Trauerraum, anzubieten.
Brigitte Lob Ich denke, das Thema Tod und Trauer sollte von der ersten Klasse an auf den Lehrplan stehen. Im Fach Religion gehört es zwar dazu, aber die Auseinandersetzung mit dem Tod kann und sollte auch in anderen Fächern stattfinden, zum Beispiel über die Auseinandersetzung mit Literatur. Und vor allem sollte sie in krisenfreien Zeiten stattfinden und nicht erst, wenn es einen Trauerfall an der Schule gibt.
Brigitte Lob Schule heißt für mich auch Lernen fürs Leben. Und mit dem Tod werden Menschen immer wieder in ihrem Leben konfrontiert – daher ist es gut, wenn sie sich schon früh damit auseinandersetzen; wenn sie wissen, was ihnen in einer solchen Situation guttut und wo sie Unterstützung bekommen.
Brigitte Lob Die Auseinandersetzung mit wichtigen Lebensfragen wie dem Tod sollte sich wie ein roter Faden durch die Schulzeit ziehen.

Anhang

Vom Umgang mit Trauer in der Schule

Anmerkungen

  1. Dem Kind sollte vorher erklärt werden, wie es dort aussieht, dass es dort viele Geräte und Schläuche gibt, dass Mama oder Papa uns nicht mehr antworten können, aber sicherlich spüren, dass wir da sind. Das Kind sollte nicht einen ganzen Nachmittag dort verbringen oder gezwungen werden, nur passiv und still dazusitzen, da ihm die Besuche zu einer unerträglichen Last werden könnten. (31)
  2. Wir helfen ihnen damit, teilzuhaben und besser zu verstehen. Für viele Menschen bedeutet es eine große Scheu, Kinder zur Beerdigung mitzunehmen, aus der Angst heraus, dies könnte das Kind nicht verkraften, vor allem, wenn alle Menschen weinen. Kinder aber wollen dabei sein und haben oft viele Fragen, aber auch Ängste, ob z.B. der Tote nicht friere etc.

Einzelnachweise

  1. Anna Giordano. Nach: https://www.erzbistum-muenchen.de/erwachsene/trauerbegleitung Zugriff am 06.10.2021.
  2. Österreichische Krebshilfe: Wenn Mama oder Papa an Krebs erkranken. Wien 12/18. Nach: https://www.krebshilfe.net/fileadmin/user_upload/Dachverband/Brosch%C3%BCren/20200Mama_Papa_hat_Krebs___Broschuere_WEB.pdf Zugriff am 27.09.2021.
  3. Österreichische Krebshilfe: Wenn Mama oder Papa an Krebs erkranken. Wien 12/18, 9.
  4. Österreichische Krebshilfe: Wenn Mama oder Papa an Krebs erkranken. Wien 12/18.
  5. Österreichische Krebshilfe: Wenn Mama oder Papa an Krebs erkranken. Wien 12/18, 35.
  6. Österreichische Krebshilfe: Wenn Mama oder Papa an Krebs erkranken. Wien 12/18, 38-40.
  7. Österreichische Krebshilfe: Wenn Mama oder Papa an Krebs erkranken. Wien 12/18, 40.43.
  8. https://deutsches-schulportal.de/schule-im-umfeld/tod-und-trauer-in-der-schule-brigitte-lob Zugriff am 30.10.2021.