Bestattungsrecht

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Allgemeines

Bestattungsrecht ist Länderrecht. Daher haben wir in Deutschland 16 verschiedene Bestattungsgesetze (BestG). Im Umgang mit fehlgeborenen und abgetriebenen Kindern gibt es hierzu erhebliche Unterschiede.

Links zu den Bestattungsgesetzen

Abk. Bundesland Name des Gesetzes [Anm. 1] / Link
BW Baden-Würtemberg Bestattungsgesetz (BestattG BW)
BY Bayern Bestattungsgesetz (BestG)
BE Berlin Bestattungsgesetz (BestattG BE)
BB Brandenburg Brandenburgisches Bestattungsgesetz (BbgBestG)
HB Bremen Gesetz über das Leichenwesen [Anm. 2]
HH Hamburg Bestattungsgesetz [Anm. 3]
HE Hessen Friedhofs- und Bestattungsgesetz (FBG)
MV Mecklenburg-Vorpommern Bestattungsgesetz (BestattG M-V)
NI Niedersachsen Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (BestattG)
NW Nordrhein-Westfalen Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen (BestG NRW)
RP Rheinland-Pfalz Bestattungsgesetz (BestG)
SL Saarland Gesetz Nr. 2019 über das Friedhofs-, Bestattungs- und Leichenwesen (BestattG)
SN Sachsen Sächsisches Gesetz über das Friedhofs-, Leichen- und Bestattungswesen (SächsBestG)
ST Sachsen-Anhalt Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Sachsen-Anhalt (BestattG LSA)
SH Schleswig-Holstein Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Schleswig-Holstein (BestattG)
TH Thüringen Thüringer Bestattungsgesetz (ThürBestG)

Bestattungsrecht zu fehlgeborenen Kindern (2021)

Abk. TG BP § fFG ERB EBh Umg ZEV mV pV wV aV
BW 500 500 § 30 m ja ja m ja ja nein nein nein
BY 500 500 Art. 6 m ja ja m ja ja ja
BE 500 1.000 § 15 ja ja b ja
BB 500 500 § 19 ja ja b ja ja ja
HB 500 500 § 17 m ja ja m
HH 500 1.000 § 10 m ja m ja
HE 500 24. SSW
MV 500 1.000 § 9 v ja ja m ja ja ja
NI 500 500 § 8 ja ja v
NW 500 § 14 ja ja m
RP 500 500 § 8 ja ja m
SL 500 24. SSW § 22 m ja ja m ja ja nein nein nein
SN 500 500 § 18 ja m ja ja ja
ST 500 500 § 15 ja b ja ja
SH 500 500 § 13 ja ja
TH 500 500 § 17 v/b ja m ja ja ja
TG = Gewichtsgrenze: Totgeborenes, Fehlgeborenes ZEV = Zustimmung der Eltern für andere Verwendung
BP = Gewichtsgrenze: Bestattungspflicht mV = medizinische Verwendung
§ = Paragraph zum Umgang mit fehlgeborenen Kindern pV = pharmazeutische Verwendung
fFG = frühe Fehlgeburt (≤ 12. SSW)* wV = wissenschaftliche Verwendung
ERB = Eltern haben Recht auf Bestattung aV = andere Verwendung
EBh = Pflicht, die Eltern über die Möglichkeit der Bestattung hinzuweisen Umg = Umgang mit dem fehlgeborenen Kind, wenn es die Eltern nicht bestatten*
* = "b" = muss beseitigt werden,[1] "m" = mit Bestattungspflicht, "v" = muss verbrannt werden

Bestattungsrecht zu abgetriebenen Kindern (2021)

Abk. § fSA ERB EBh Umg ZEV mV pV wV aV
BW § 30 m ja ja m ja ja nein nein nein
BY Art. 6 m ja ja m ja ja ja
BE § 15 ja b ja
BB § 19 ja b
HB § 17 m ja ja m
HH § 10 m ja m ja
HE
MV § 9 v ja ja m ja ja ja
NI § 8 ja v
NW § 14 ja ja m
RP § 8 ja ja m
SL § 22 m ja ja m ja ja nein nein nein
SN § 18 ja m ja ja ja
ST § 15 ja b ja ja
SH § 13 m
TH §17 v/b ja m[Anm. 4] ja ja ja
§ = Paragraph zum Umgang mit abgetriebenen Kindern ZEV = Zustimmung der Eltern für andere Verwendung
fSA = früher Schwangerschaftsabbruch (≤ 12. SSW)* mV = medizinische Verwendung
ERB = Eltern haben Recht auf Bestattung pV = pharmazeutische Verwendung
EBh = Pflicht, die Eltern über die Möglichkeit der Bestattung hinzuweisen wV = wissenschaftliche Verwendung
Umg = Umgang mit dem abgetriebenen Kind, wenn es die Eltern nicht bestatten* aV = andere Verwendung
* = "b" = muss beseitigt werden,[1] "m" = mit Bestattungspflicht, "v" = muss verbrannt werden

Blitzlichter

Ende 2022 erschien von mir die "Synopse des deutschen Bestattungsrechts"
Dabei stellte ich u.a. fest:

  1. Tod während der Schwangerschaft
    1. In Deutschland sterben nach den Bestattungsgesetzen aller 16 Bundesländer während der Schwangerschaft keine Kinder. Es sterben aber Ungeborene, Leibesfrüchte, Totgeburten, Totgeborene, Fehlgeburten, Fehlgeborene, Embryonen, Föten und Feten.[Anm. 5]
    2. Fehlgeborene und abgetriebene Kinder dürfen in 10 Bundesländern für wissenschaftliche, medizinische und/oder pharmazeutische Zwecke verwendet werden. In nur 3 Bundesländern müssen hierzu die Eltern ihre Zustimmung geben.[Anm. 6]
    3. Fehlgeborene und abgetriebene Kinder, die von ihren Eltern nicht bestattet wurden, sind in der Hälfte der Bundesländer "hygienisch einwandfrei, dem sittlichen Empfinden angemessen zu beseitigen". Von dieser "Beseitigung" aus ist der Weg zum Abfallbeseitigungsgesetz nicht mehr weit.[Anm. 7]
  2. Kuriositäten
    1. In 5 Bundesländern wird der Tod eines Menschen neben den sicheren Todeszeichen auch „auf andere Weise“ zuverlässig festgestellt. Wie soll dies „auf andere Weise“ geschehen?
    2. In Niedersachsen gilt nach dem Bestattungsgesetz der Tod eines Menschen dadurch festgestellt, wenn an ihm "keine Lebenszeichen" gefunden werden. An einem aktuell Ertrunkenen sind auch keine Lebenszeichen mehr feststellbar. Soll damit der Versuch der Reanimation unterbleiben?[Anm. 8]
    3. In Baden-Württemberg ist nach § 32 Abs. 2 eine "Seebestattung in oberirdischen Gewässern ... unzulässig". Auch Meere sind oberirdisch. Also hat man die Seebestattung in unterirdischen Gewässern durchzuführen.[Anm. 9]
  3. Rechtliches
    1. In einem Bestattungsgesetz fand ich einen Paragrafen, der etwas vorschreibt, was ein anderer Paragraf verbietet. Das Bestattungsgesetz widerspricht sich hier selbst.
    2. Es gibt keine Ordnungswidrigkeit, die in allen 16 Bundesländer geahndet wird. Es gibt aber 46 Ordnungswidrigkeiten, die nur in einem Bundesland geahndet werden.
    3. Die Bußgelder variieren je nach Bundesland zwischen 1.000 und 25.000 Euro.
    4. Der Bestattungspflichtige hat nach den Bestattungsgesetzen alle Rechte. Die übrigen Hinterbliebenen sind ihm recht- und schutzlos ausgeliefert.[Anm. 10]
    5. Das Kinderrecht von Artikel 12 der UN-Kinder­recht­skon­ven­tion (Berücksichtigung des Kindeswillens) wird in keinem Bestattungsgesetz geschützt.[Anm. 11] Dabei hat sich Deutschland im Jahr 1990 zu deren Umsetzung verpflichtet.
    6. Die Bestattungsgesetze stecken vollen Überraschungen, darunter auch Verletzungen gegenüber Grundrechten (Artikel 1, 3 und 6 GG).<ref group="Anm.">In den bestehenden Bestattungsgesetzen
Mein Fazit aus meiner Recherche lautet:

Wir handeln und reisen global,
wir leben als Europäer und zahlen mit Euro,
unsere amtlichen Papiere weisen uns als Deutsche aus,
doch mit dem Eintritt des Todes
sind wir plötzlich Bayer, Brandenburger, Saarländer, …
Dabei sollten nach Artikel 3 GG
vor dem Gesetz alle Menschen gleich sein.

Im Zeitalter der Globalisierung leben wir in Deutschland zwar als Deutsche (Art. 3 GG = Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich), doch mit Eintritt des Todes sind wir Bayern, Berliner, Brandenburger, ... Dies wird im Bestattungsrecht nirgends so deutlich, als im Umgang mit den fehlgeborenen und den abgetriebenen Kindern.

Suche

Siehe: Gesucht

Anhang

Anmerkungen

  1. Die hier angegebene Bezeichnung ist die offizielle Bezeichnungen der jeweiligen Gesetze, so wie sie es selbst angeben.
  2. Wer im August 2021 im "Serviceportal Bremen" den Suchbegriff "Bestattung" eingab, erhielt 2 Treffer: "Bestattung von Heimtieren" und "Bestattungsgeld für Kriegsopfer bzw. Berechtigte nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG)", siehe.
    Die gleichen Treffer erhielt man bei der Eingabe von "Bestattungsrecht" als Suchbegriff, siehe.
    Doch damit hatte ich eine alte Fassung des BestG. Den Link zur aktuell gültigen Fassung musste ich in Bremen erfragen. Ob das als "Service" bezeichnet werden kann, mag jeder selbst entscheiden.
  3. Wer im August bei der Internetseite "Landesrecht Hamburg" als Suchbegriff "Bestattungsgesetz" eingab, bekam unter "Gesetze/Verordnungen" 59 Treffer angezeigt. Nach dem Umschalten der Sortierung auf "Relevanz" erschien das Bestattungsgesetz an 1. Stelle, siehe.
    Auch hier muss man sich den Weg zum aktuellen Gesetz suchen.
  4. Nach § 2 müssen nur abgetriebene Kinder mit mind. 500 Gramm bestattet werden.
  5. Mit derartigen Bezeichnungen für während der Schwangerschaft verstorbenen Kinder ist Artikel 1 GG (Würde des Menschen) berührt.
  6. Hierbei ist Artikel 6 Abs. 3 GG zu bedenken:
    Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

    Damit verstoßen – je nach Zählung - 13 oder 7 Bundesländer mit ihren Bestattungsgesetzen gegen das Grundgesetz.

  7. Mit der Formulierung "beseitigen" für den Umgang mit während der Schwangerschaft verstorbenen Kinder ist Artikel 1 GG (Würde des Menschen) berührt.
  8. Es ist zu hoffen, dass es in Niedersachsen einen bislang unentdeckten juristischen Ungehorsam der Ärzte gegen das Bestattungsgesetz gibt und nicht gleich bei einem Menschen, der keine Lebenszeichen aufweist, die Todesbescheinigung ausfüllt. Es ist zu hoffen, dass die Ärzte in Niedersachsen sich hierbei eher an die medizinischen Vorgabe halten, als an die juristische.
  9. Danach ist die Bestattung einer Urne in einem durch eine Höhle fließendes Gewässer erlaubt.
  10. In seiner Allmacht kann der Bestattungspflichtige bestimmten Hinterbliebenen verbieten, dass sie den Verstorbenen sehen und/oder dass sie bei der Bestattung nicht dabei sein dürfen. Dies führt bei diesen ausgeschlossenen Hinterbliebenen zu schweren seelischen Verletzungen, die schwer oder nie heilen, da es nicht nachgeholt werden kann.
  11. Eltern und dominante Erwachsene verbieten Kindern, den Verstorbenen zu sehen. Sie sollen "ihn so in Erinnerung behalten, wie er war", so ihre Argumentation. Auf den Hinweis, dass man doch die Kinder fragen und selbst entscheiden lassen möge, folgen Worte wie: "Ich kenne mein Kind" oder "Ich weiß, was für mein Kind gut ist." Das ist ein klarer Verstoß gegen Artikel 12 der UN-Kinder­recht­skon­ven­tion:
    Berücksichtigung des Kindeswillens

    (1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Welche Wortwahl: "muss beseitigt werden"! Diese Kinder sind doch kein Abfall!.